Frühförderung - oder: "aller guten Dinge sind drei"
Mit strahlenden Augen, einer Zahnlücke, dem Traumranzen, einer großen Schultüte und voller Freude...., so beginnt die Schulzeit für fast alle Kinder. So begann sie für meinen ältesten Sohn vor 15 Jahren.
Schule ist nicht mehr so wie früher - heute geht man mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder ein. Lasst den Kindern Freiheit sich zu entwickeln, lasst sie bloß in Ruhe! Akzeptanz des Einzelnen ist erwünscht, Gruppe muss das verstehen! Probleme haben Kinder nicht - Erwachsene haben Probleme mit dem besonderen Kind! Integration war das Schlagwort der späten 80er und frühen 90er. Für uns bedeutet das Sicherheit. Sollte es widererwarten Schwierigkeiten geben, so sind wir in guten Händen. Sie kamen, die Probleme: Am zweiten Schultag gab es eine Hausaufgabe. Eine Reihe "FU" sollte in ein Heft geschrieben werden. Es ging nicht, war einfach nicht möglich. Es flog der Stift, das Radiergummi, der Anspitzer und zu guter letzt schmiss sich das ganze Kind hinterher..... Diagnose nach der vierten Klasse: Legastheniker!
Drei Jahre später wieder: der Ranzen, die Zahnlücke... unsere Tochter wird eingeschult. Wir haben sie im WOI auf Schulfähigkeit untersuchen lassen, sie war in der Vorschule, sie kann gut mit Stiften umgehen - ihre Feinmotorik ist super! Sie kommt in eine Integrationsklasse mit drei Lehrern und einer Sozialpädagogin. In der dritten Klasse stellt man fest - sie kann nicht rechnen. Meine Bedenken wurden zwei Jahre belächelt, ich war die ehrgeizige Mutter, die ihrem Kind keinen Freiraum für die persönliche Entwicklung lässt. Üben war verpönt, gelernt wird in der Schule, sonst nirgendwo. Diagnose nach der vierten Klasse : Dyskalkulie!
Was war ich für eine naive Mutter! Ich habe geglaubt alles richtig zu machen, habe alle guten Ratschläge von Experten berücksichtigt, habe gelesen, mir Vorträge angehört, diskutiert... Ich habe die Förderung meiner Kinder den Fachleuten überlassen.
1997 wird unser Nachzügler geboren. Er ist gesund - wir sind glücklich. Der Gedanke, dass er in 7 Jahren in die Schule muss, ist unangenehm. Das Kind soll sich in Ruhe entwickeln. Was heißt das eigentlich?
Wollen Kinder in Ruhe gelassen werden? Sie sind wissbegierig, neugierig, interessiert! Alles haben wir ihm beigebracht, wir haben es sogar an ihn herangetragen, nicht gewartet bis er von selber nach den Farben, den Formen, den Mengen usw. fragte. Woher sollte er auch wissen, was ihn zu welchem Zeitpunkt zu interessieren hatte. Er konnte mit Schulbeginn rechnen, lesen, malen. Er hat die zweite Klasse beendet, es gab noch keine Probleme, er ist glücklich, unbeschwert, so unendlich fröhlich. Wir hatten ihn nicht in Ruhe gelassen. Mit einem Kind viel zu machen, es in Hinblick auf die Schule zu fördern und zu unterstützen ist heute nicht mehr so unüblich. Leider ist aber für viele Kinder der Schritt ins Schulleben noch immer ein Schritt in einen Albtraum. Kinder bemerken Unsicherheiten, vermeintlich schlechtere Leistungen bei sich, schon in den ersten Schulwochen. Sie fangen sofort an zu kompensieren, zu verdecken, zu verstecken. Zu diesem Zeitpunkt sollten Eltern und Lehrer sehr hellhörig sein. Jetzt erkannte kleine Unsicherheiten können in der Regel noch aufgefangen werden, bevor sie sich zu einer massiven Störung entwickeln. Es gibt für alles auch immer mehrere Wege. Nicht alle denken und lernen gleich. Das ist die Individualität, das Besondere: Das Ziel mit dieser Erkenntnis sollte aber das Bestehen in der Lerngruppe/Gruppe sein, nicht das Akzeptieren des Nichtkönnens mit seinen negativen psychischen Auswirkungen.